Als der Außenseiter führte, wurde der Favorit gefordert
Die Trainer
versprachen einiges, doch die Mannschaften hielten zunächst
wenig genug. Manfred Pfeifer ging davon aus, daß seine
Vertretung offensiv wirken wolle; Hans Meyer betonte, daß beide
um den Sieg spielen werden. Nun, das Weiß-Rot der Erfurter und
das Blau-Weiß der Jenaer, neunfach über das gesamte Feld hinweg,
scheinbar untrennbar miteinander verbunden, mag sich auf dem
grünen Rasen zu einem hübsch bunten Bild vereint haben, indes
schien dieser totale Pärchenbetrieb zu einer völligen Erstarrung
des Geschehens zu führen. Fritz-Lindemann, Schröder-Krause,
Vogel-Hoppe - so fanden sie sich im Mittelfeld keineswegs
zufällig zusammen, und die Stoßstürmer konnten sich kaum drehen,
so dicht standen ihnen die Abwehrspieler auf den Füßen. Nichts
gegen ein konsequentes Decken der Angreifer, aber alles gegen
ein stupides Hinterherlaufen über das gesamte Feld, gegen jenes
sterile „Miteinander der Kontrahenten" im Mittelfeld, das eher
für Phantasielosigkeit aller Beteiligten spricht, Trainer wie
Spieler, als für eine vorgegebene taktische Konzeption
Die logische Folge: Lange Zeit passierte so gut wie nichts.
Spannungsgehalt eines Pokalspiels? Dramatische Zuspitzung eines
Finales? Zunächst nichts von alledem. Stattdessen machte sich
fast Langeweile breit.
Die Höhepunkte der ersten Phase sind schnell aufgezählt:
Schnuphase schloß oft mit nach vorn auf, hatte auch eine Chance
(6.), während Teich lediglich einmal über die Mittellinie
rückte, dabei gleich eine gute Kombination auslöste (35.).
Dazwischen ließ Lindemann einen Knaller los, den Benkert
parierte (32.). Sonst gab es nichts Bemerkenswertes zu notieren.
Ein Glück für den weiteren Fortgang des Geschehens, daß Fritz
nach genau vierzig Minuten alle Fesseln sprengte, sich mit
schnellem Antritt von Lindemann löste, den Ball kurz am Fuß
führte und überraschend abschoß. Grapenthin parierte zwar, mußte
die Kugel jedoch prallen lassen. Romstedt war zur Stelle. Der
Ball zappelte im Netz. Der Außenseiter führte.
Der Rückstand zwang den Favoriten zu größerer Aktivität, und
sofort gewann das Geschehen an Reiz. Erst jetzt kam Spannung
auf, Dramatik sogar, und mit diesen Faktoren stellten sich auch
Elemente der Klasse ein. Freilich gab es nach wie vor Unfertiges
zu sehen, beispielsweise bei einigen Akteuren im Umgang mit dem
Ball. Doch insgesamt geschah jetzt viel Überraschendes, dem man
seine Anerkennung nicht versagen konnte. Was aber nur die Frage
provoziert: Warum nicht gleich so?
Wie auch immer. Schnuphase. Weise, Kurbjuweit drängten im
Wechsel nach vom. Darin sah Manfred Pfeifer später eine wichtige
Ursache für „Jenas noch verdienten Sieg, weil die engere Abwehr
aggressiver wirkte". Lindemann wurde mehr und mehr zum
Regisseur. Hoppe ging weite Wege. Krause zwang Schröder in die
Defensive. Und vorn zerrten Vogel, Raab, Töpfer an den Ketten,
durchbrachen sie jetzt mehrfach, ließen Becker, Göpel, Brosselt
mit zunehmender Spielzeit schlechter aussehen. Benkert mußte bei
Eingaben und Schüssen sein Können beweisen, tat das auch mit
Auszeichnung, „wobei jedoch", wie er sagte, .das dritte Tor auf
mein Konto ging".
Trotz des Jenaer Dauerdrucks, die Erfurter machten sich mehrere
Male urplötzlich frei, verbuchten Chancen, hatten die
Möglichkeil, die endgültige Entscheidung herbeizuführen. Nach
Göpels Flanke köpfte Vogel daneben (59.) ; als Romstedt Heun
freispielte, lenkte Grapenthin zur Ecke (56.); und auch Göpel
verfehlte nach Fritz' Flanke das Ziel (64.).
Diese Aktionen waren ein Signal für den FC Carl Zeiss. Wirkte er
zunächst nach dem Wechsel noch etwas bieder mitunter geradezu
hausbacken, als die Gefahr einer Niederlage immer gravierender
wurde, verstärkte er seine Bemühungen, bewies der Favorit Moral.
Es hatte auch den Anschein, als habe der FC Carl Zeiss mehr
zuzusetzen, wobei das jedoch auch einfach aus der Konstellation
des Spiels heraus abzuleiten ist, aus dem „alles oder nichts",
zu dem er ja gezwungen war. Raabs Tor nach Töpfers Flanke und zu
kurzer Abwehr der Erfurter Deckung leitete die Wende ein. Die
Entscheidung fiel allerdings erst, und das dürfen die Rot-Weißen
auf der Habenseite verbuchen, in der Verlängerung. Nach
Sengewalds FreistoB, der von der Mauer zu Kurbjuweit prallte,
sorgte der linke Verteidiger von der rechten Seite (!) für das 2
:1, dem Sengewald schließlich mit haltbarem Schuß das 3 : 1
folgen ließ.
Ohne Zweifel, der FC Carl Zeiss gewann dann noch völlig
verdient, weil er ausgeglichener besetzt war, flexibler wirkte
und auch über die besseren Individualisten verfügte. Der FC
Rot-Weiß tat viel zur Belebung des Spiels, das insgesamt fair
geführt wurde, bei dem Schiedsrichter Kirschen ohne Verwarnung
auskam, was sowohl für seine Leitung als auch für die korrekte
Haltung der Aktiven sprach.
Das Sieger-Interview mit Trainer Hans Meyer:
*Wie war
die Stimmung auf der Bank, als Erfurt in der 80. Minute immer
noch mit 1 : 0 in Führung lag?
In dieser Phase beherrschten wir den Gegner relativ klar,
verstärkten den Angriffsdruck aus allen Mannschaftsteilen heraus
immer wieder. Irgendwann, so hoffte ich, würde sich Erfurt bei
den zahlreichen brenzligen Situationen vor dem Tor doch noch
eine entscheidende Blöße geben. Raabs Ausgleich brachte uns
schließlich psychologisch in Vorteil.
* Wie ist dieses Finale vom Niveau her einzuordnen?
Über den Spannungsgehalt brauchen wir sicherlich nicht zu
diskutieren. Auch nicht darüber, daß die Zuschauer bei der
offensivfreudigen Einstellung beider Mannschaften viele packende
Torraumszenen zu sehen bekamen. Kampf und Spiel, so meine ich,
bewegten sich in durchaus akzeptablen Relationen.
*Welche Vorzüge hatte der Sieger letztlich ins Feld zu
führen?
Noch acht Minuten fehlten Erfurt zum Erfolg. Da mußte der
Ausgleichstreffer ganz einfach wie ein Keulenschlag wirken.
Tatsächlich verdaute ihn die Elf nicht, wie die Verlängerung
zeigen sollte. Das spürten die routinierten Akteure in unserer
Mannschaft sofort. In den letzten 30 Minuten besaß der FC
Rot-Weiß nicht mehr die erforderliche Kraft und Frische, um uns
am Erfolg zu hindern.
*Welches
war die kritischste Phase für den FC Carl Zeiss?
Erfurt operierte, wie ich es eigentlich auch erwartet hatte,
klug aus der abwartenden Haltung heraus mit schnellen,
weiträumigen Pässen auf die Angriffsspitzen, von denen Romstedt
eine Stunde lang einen glänzenden Eindruck hinterließ. Das barg
vor allem nach der Pause, als uns der 0 : 1 -Rückstand zu
erhöhtem Tempo zwang, die Gefahr eines zweiten Gegentores in
sich. Erfurt besaß diese Chance.
•Darf man diese Worte mit einem Kompliment an den
Unterlegenen gleichsetzen?
Durchaus! Er fühlte sich wohl in der Rolle, nichts zu verlieren,
aber alles gewinnen zu können. An der von Teich und Göpel gut
organisierten Deckung bissen wir uns lange Zeit die Zähne aus.
Vielleicht besaß die Elf im Mittelfeld nicht solche dynamischen
Spielertypen wie wir in Krause, Lindemann oder auch dem ständig
nach vorn abschließenden Kurbjuweit.
• Wurden damit bereits die besten Akteure in der Siegerelf
genannt?
Ich möchte sie um einige weitere Namen ergänzen. Weise spielte
gegen Heun sehr konzentriert, löste sich im Dribbling mehrfach.
Dem jungen Schilling gebührt Respekt für seine einsatzfreudige
Partie gegen Romstedt. Und vergessen werden darf auch der Senior
nicht: Grapenthin. Er wahrte mit tollen Paraden unsere Chance,
den Erfolg perfekt zu machen.
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