Fast zur
gleichen Stunde, da im San-Siro der FC Everton seine Hoffnungen
begräbt, werden im Jenaer Ernst-Abbe-Stadion 18 000 Zeißstädter
unruhig. Unsere junge Meisterelf, die zwei Jahre zuvor im Cup
der Pokalsieger so mitreißend auftrumpfte, ist mit sehr viel
Zuversicht in das Rennen der einunddreißig Landesmeister
gegangen. Das Los meinte es zwar nicht sonderlich gut, denn
Rumäniens Titelträger Dinamo ist beinahe mit der starken
Nationalelf identisch. Und dennoch, der Sturmwirbel unseres
Meisters hat schon andere große Pötte zum kentern gebracht.
Georg
Buschner, der Altinternationale auf der Trainerbank, zeigt sich
zufrieden, als Motor mit einem relativ knappen 0:2 den
Hexenkessel von Bukarest verlassen kann. „Unsere Defensivtaktik
war sicher nicht schön, aber darin liegt unsere einzige Chance",
argumentiert er. Sein Kollege Ionescu sieht tatsächlich mit
einigen Sorgen dem Rückspiel entgegen. „Wir wissen vom
Länderspiel her, wozu die Duckes fähig sind. Zu Hause werden sie
ihre Trickkiste öffnen.
Unser 2:0-Vorsprung ist kein Garantieschein. Er reicht
allenfalls für ein drittes Spiel." Jena spielt auch stärker als
in Bukarest. Es stürmt mit bewundernswertem Elan, wirft alle
Kraft, alle Wucht in die Waagschale.
Aber was
sich bereits in den ersten Spielen der Meisterschaft andeutete,
bestätigt sich im Europacup. Die Thüringer sind nicht in
Schwung, vermögen nicht an jene mitreißenden Partien gegen
Swansea Town, Leixoes Porto oder Atletico Madrid anzuknüpfen,
Jena findet seinen Spielrhythmus, seine Linie einfach nicht. Das
Angriffsspiel gleicht einem blinden Anrennen. Jenes
quicklebendige, variable, ideenreiche und drangvolle Spiel, das
Motor den Titel sicherte, fehlt. Dinamo ist clever genug, den
Angriffsschwung abzudämmen, und kommt sogar aus der
Konterstellung zum 1:0-Erfolg. So ist das erste Auftreten Jenas
im Meistercup beendet, bevor es so recht begonnen hat. Sicher
war der Partner sehr stark, aber unschlagbar nicht. Dieses
Wissen mag der Grund sein, daß der sonst so begeisterungsfähige
Motoranhang diesen Mittwoch als „schwarzen Tag" für Jena
bezeichnete. Arg enttäuscht verläßt er das „Paradies", Jenas
wunderschönen Sportpark. „Nicht anders ist den Spielern zumute.
Sie hatten sich so viel vorgenommen, „Nun ist es aus, bitter für
uns, die wir gewiß mehr können, als es gegen Dinamo den Anschein
hatte.
Am Willen hat es ganz bestimmt nicht gefehlt, eher an der
mangelnden Lockerheit, jener zügig-beschwingten Spielweise, die
auf Können und Selbstvertrauen basiert. Von beidem besaß Dinamo
mehr." Jenas Kapitän Woitzat findet diese erklärenden Worte am
Abend. Und Georg Buschner ergänzt: „Es gibt keinen Grund, den
Kopf hängenzulassen. Ich bin überzeugt, wir sind bald wieder da.
Ohne Lehrgeld ist noch niemand Meister geworden."
Die guten Wünsche, die Jenas sympathische Jungen ihrem Bezwinger
für die weiteren Kämpfe mitgeben, kommen aus ehrlichem Herzen,
Dinamo trifft im Achtelfinale auf Real Madrid. Aber dieser
Klasse sind auch die Rumänen nicht gewachsen (1:3 und 3:5).
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